Aktiver Naturschutz - Mähen war gestern ...

 

Der Einsatz von Agrarchemikalien und die extrem intensive Form der Bodenbewirtschaftung macht Vögeln, Säugern, Wildkräutern, Amphibien und Insekten das Überleben schwer und manchmal sogar unmöglich. Nicht viel mehr als "grüne Wüsten" seien die europäischen Agrarlandschaften, warnten vor Kurzem 2.500 Wissenschaftler aus ganz Europa in einem Brandbrief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die deutsche Naturschutz- und Artenkrise, sie ist auch eine schwere Krise unserer Kulturlandschaften.

Der Rückgang der Biomasse von Insekten von ca. 80% innerhalb der letzten 25 Jahre (Krefelder Studie) unterstreicht das dramatisch. Außer der wirtschaftlich eminent wichtigen Bestäubungsleistung durch Fluginsekten macht sich auch mittlerweile der Wegfall als Futterquelle für die Mehrzahl der Vögel, Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger signifikant bemerkbar. Deren Bestände sind zwangsläufig ebenso gefährdet.

Was können wir kurzfristig daran ändern?

Zwar wächst er keinen Meter hoch und sieht auf den ersten Blick auch weit weniger aufregend aus als der tropische Dschungel, aber äußerst artenreich ist er dennoch: Mit bis zu 60 Pflanzenarten und 1.000 Insekten u. Spinnentieren pro Quadratmeter gehören manche Wiesen und Weiden unserer Breiten zu den artenreichsten Biotopen der Welt!

Eine rasche, effektive und zudem preiswerte Maßnahme ist daher die Umwandlung von kommunalen Rasenflächen, Randstreifen und Wegesäumen in Blühwiesen bzw. Blühstreifen.

Beispiel: Die Stadt Erfurt.

Von den knapp 240 Hektar städtischer Grünflächen sind mittlerweile 44 Prozent „umgewandelt“ und werden nur noch einmal im Jahr gemäht. Einen (englischen) Rasen muss man dagegen wässern, düngen, ständig mähen, ihn lüften. Man muss Herbizide, Insektizide aufbringen. Das sei auch zeitlich ein riesiger Aufwand, so der Leiter des Erfurter Gartenamtes. Die Akzeptanz der Blühwiesen sei in Erfurt groß. Stadtpolitisch werde diese Idee sehr gut unterstützt. Man müsse allerdings sein Bild von einem Garten, einem Park auch im Kopf neu entwerfen. Es sei sicher erst einmal ein ungewohnter Anblick, wenn das Gras sprichwörtlich "ins Kraut schießt" und auch noch Disteln erblühen. Der zunehmenden Aufheizung unserer Städte im Sommer wirkt eine Blühwiese zudem effektiver entgegen, als eine kurz geschorene Rasenfläche.

Ein weiteres Beispiel der zügigen Umwandlung von nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Flächen in Blühwiesen stellt ein prämiertes Projekt im Main-Kinzig Kreis dar, bei dem sich zudem die Bürger im Rahmen einer „Patenschaft“ mit einem kleinen finanziellen Beitrag für Teilflächen engagieren: www.bluehfeld.de. So ist es dann nicht nur eine (einseitige) Maßnahme der „Stadtverwaltung“, sondern wird zum kollektiven Gemeingut.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Eine Blühwiese ist keine Grünfläche mit dekorativen Einsprengseln von Frühblühern wie Tulpen und Narzissen, sondern eine ein/-mehrjährige Pflanzengesellschaft, die von April bis Oktober Pollen und Nektar bereithält und zudem noch vielen Insektenlarven Überwinterungsmöglichkeiten bietet. Vögel und Kleinsäuger finden hier Deckung und Nistmöglichkeiten. Regional angepasste und bewährte Saatgutmischungen („Bienenweiden“) mit bis zu 100 Pflanzenarten stehen längst zur Verfügung und sind an vielen Orten bereits im Einsatz.

Fazit: Die Umwidmung kommunaler Rasenflächen und anderer „eh-da“ Flächen in Wildblumen-/Blühwiesen stellt nicht nur einen nahezu sofort wirksamen und spürbaren Beitrag zum Artenschutz dar, sondern ist zudem preiswert bzw. vermindert sogar in erheblichem Umfang den Pflegeaufwand. Und: Schön anzusehen ist das Ergebnis zudem auch noch!