28.04.2020: Verabschiedung des Haushalts 2020 – Eine ungehaltene Haushaltsrede der Grünen

Über den Haushalt 2020 wurde am Dienstagabend wie vereinbart ohne Aussprache und die üblichen Haushaltsreden in einer Sondersitzung des Rates abgestimmt. Darauf hatten sich alle Fraktionen in Anbetracht der Corona-Krise auf Vorschlag der Verwaltung verständigt. Die Grünen haben der Verabschiedung des Haushalts aus mehreren Gründen nicht zugestimmt. Wir erklären in unserer ungehaltenen Rede, welche Argumente unser „Nein“ erforderlich machen.


Hier Auszüge aus der ungehaltenen Rede des Fraktionsvorsitzenden Richard Dammann:

„Im Anschluss an die heutige Verabschiedung der Haushaltssatzung aus der Zeit vor der Corona-Krise werden Rat und Verwaltung im Mai noch eine Konsolidierungsliste aufstellen. Damit sollen die Pandemie-bedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben der Gemeinde, welche sicherlich im siebenstelligen Bereich anzusiedeln sind,berücksichtigt werden. Wir Grüne hatten uns dafür ausgesprochen, die erforderlichen Etat-Kürzungen und Verschiebungen vorzuziehen und so den Haushalt vor seiner Verabschiedung auf die drastisch veränderten Verhältnisse unter Corona anzupassen.

Unabhängig davon ist uns das aber zur Sicherung der Gemeindefinanzen langfristig zu wenig: Der aufgestellteHaushalt muss bewertet werden und strukturelle Defizite sollten endlich angegangen werden.

Wir möchten betonen, dass die Corona-Krise die Menschen in der Gemeinde Nottuln und auch die Beschäftigten in der Verwaltung extrem fordert. Wir danken allen für ihr großes Engagement in Beruf und Ehrenamt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Hier sieht man, dass Solidarität und besonnenes Handeln in Nottuln funktionieren. Wir danken der Verwaltung, vor allem Frau Block und ihrem Team, für das korrekte Zahlenwerk. Der Haushalt wurde mit Sorgfalt erarbeitet, unsere Fragen wurden umfänglich und zügig beantwortet.

Trotz bislang guter Wirtschaftsdaten werden jedoch die Haushaltszahlen von Jahr zu Jahr schlechter, und das zu einer Zeit ohne Pandemie bedingte Einbrüche.

Die uns vorgelegten Zahlen erschrecken.

Die Schulden lagen Ende 2017 bei 10,9 Mio. €, bis Ende 2019 stiegen sie auf 14,7 Mio. € an. Am 31.12.2020 sollen sie bei 15,9 Mio. € liegen. Getilgt werden sollen bis 2023 jährlich 1,1 Mio. €. Dieses strukturelle Minus ist für uns nicht akzeptabel. Durch die Corona-Krise sind noch weitaus schlechtere Zahlen zu erwarten, die uns Verantwortliche für das Gemeinwohl spätestens jetzt zumUmsteuern zwingen sollten.

Ein paar Beispiele:

Wir leisten es uns, für 164.410 € die Container der Übergangs-KiTa am Kücklingsweg in Appelhülsen abzubauen und woanders wieder aufzustellen. Der Mietaufwand für den Übergang beträgt erstaunliche 67.200 €. Dafür ließen sich Container kaufen, wenn nicht gar ein Gebäude errichten.

Die Gemeinde bringt jährlich 95.820 € an Mieten auf. Wir mieten Verwaltungsbüros, Übergangswohnungen, Kindergärtenusw., anstatt selbst zu bauen. Die Gebäude wären bei den jetzigen Zinsen in wenigen Jahren bezahlt, das Gemeindevermögen wäre gewachsen.

Bei der KiTa Nottuln-Nord wurde ein Ausschreibungsverfahren für den Bau gewählt, welches drei Nottulner Firmen als Bewerber nicht berücksichtigte, so dass nur ein Angebot abgegeben wurde. Statt diese missglückte Ausschreibung ohne Wettbewerb aufzuheben, wurde die zu teure Lösung weiterverfolgt. Das Grundstück wird nun weit unter Wert verkauft, in der Folge wird kein kommunales Vermögen aufgebaut. Wir wissen noch nicht einmal, wie die KiTa aussieht, die der Investor errichten wird. Für die Mehrheit des Gemeinderates war dieses Handeln offenbar in Ordnung. Wir Grüne halten diesen Modus für unverantwortlich und fragen uns, wer eigentlich Vorteile bei einem derart unüblichen Vorgehen hat.

Fakt ist: Es wird nicht konsequent genug darauf geachtet, wo vermeidbare Kosten erzeugt werden. Die Grünpflege kostet nun über 700.000 € im Jahr. Wofür wird eigentlich so viel Geld ausgegeben? Für zerstörte Bepflanzungen an Kinderspielplätzen, mangelhafte Pflege und immense Fäll-Aktionen im kommunalen Grün?

Seit Jahren fordern die Grünen eine ökologisch angepasste, nachhaltige und bezahlbare Pflege des Grüns. Das gewohnte Bild an den Straßen und Grünflächen wird stattdessen immer trister und – erstaunlicher Weise – für die Gemeinde zudem teurer. Es ist nicht akzeptabel, für eine Ersatzpflanzung von 16 Bäumen am Pastorskamp 230.000 € auszugeben.

Zum Sport:
Die neue Sporthalle in Nottuln war zu teuer, zu spät fertig und ist letztlich viel zu groß. Der Bau wird Nottulns Ruf als Klimakommune in keiner Weise gerecht - viel zu viel Beton, weder eine Solaranlage noch ein Gründach. Die Kosten und Bauzeiten waren über lange Strecken des Bauprozesses nicht unter Kontrolle. Die Politik wurde nur auf intensives Drängen beteiligt. Die Abschreibung beträgt nun 162.500 € jährlich - Geld, das woanders dringend benötigt wurde, auch ohne Corona-Krise.

Wir stehen zu den notwendigen Sanierungen und Renovierungen. Aber anstelle der Verwaltung suchen und finden die Vereine, wie z.B. Arminia Appelhülsen und Borussia Darup, machbare und bezahlbare Lösungen durch Fördertöpfe. Herzlichen Dank an die Aktiven.

Gleichsam stellen wir fest: Für Sport werden 43,92 € pro Einwohner und Jahr ausgegeben, für Kultur nur 8,22 €. Wie sollen wir das den Kulturschaffenden und Interessierten erklären?

Zu den Sanierungen der Feuerwehren, dem Neubau der Rettungswache:
Es drohen Schließungen von Feuerwehren in der Gemeinde, wenn nicht bald Lösungen vorliegen. Für Nottuln gibt es noch nicht einmal den Ansatz einer Planung, für Appelhülsen gibt es immerhin ein mögliches Grundstück. Nun soll ein Architektenwettbewerb für 222.500 € in Appelhülsen helfen. Wir wissen nicht, wer auf diese teure Idee gekommen ist, Abstimmungen mit der Politik und den Beteiligten finden nicht statt.

Zum Straßenumbau im historischen Ortskern:
Niemand ist gegen den barrierefreien Ortskern. Doch in diesemJahr für den 3. Bauabschnitt 800.000 € und nächstes Jahr920.000 € und für den 4. Bauabschnitt in 2021 weitere fast 800.000 € auszugeben, das ist gegenüber unseren Bürger*innen und Steuer Zahlenden bei dieser Haushaltslage schon für Vor-Corona-Zeiten nicht zu rechtfertigen. Zu Recht ist dieses Projekt in der von allen Fraktionen erarbeiteten Prioritätenliste sehr weit nach hinten gerutscht. Wir haben doch wirklich drängendere Sorgen!

Aber trotzdem wird unverändert auf dieser Ziellinie weiter projektiert und teuer gebaut statt saniert und erhalten. Vitale prägende Bäume sollten dem Straßenbau geopfert werden. StattEntsiegelung wie vereinbart wird immer mehr Fläche versiegelt. Dem Ausschuss werden die immer gleichen Pläne vorgelegt, statt Anregungen und Kritik anzunehmen und umzusetzen. Zudem muss für die Stiftsstraße noch 70.000 € außerplanmäßig abgeschrieben werden. Auch das Geld haben wir nicht.

Zum Baugebiet Südlich Lerchenhain und den Wohngebieten in den Ortsteilen:
Grundstücke und Wohnungen sind in Nottuln schon seit einigen Jahren nicht mehr zu bekommen, für Interessenten geht es hier nicht voran. Wenn Bebauung ermöglicht wird, dann überwiegend für flächenfressende Einfamilienhäuser. Geförderter Wohnungsbau findet in Nottuln nicht statt.

Die Grundstückspreise steigen für einen ländlichen Kreis ins Unverschämte. Der Bodenrichtwert in Nottuln-Nord liegt nun bei 300 €/m2. Neue Planungen für das dringend benötigte Wohngebiet „Südlich Lerchenhain“ werden nicht vorgelegt. Selbst Normalverdiener können sich das Wohnen in Nottuln bald nicht mehr leisten -- was machen dann erst Geringverdiener?

Klimawandel:
Dem Klima hat es nicht genutzt, im Rat wiederkehrend über „Klimaaufbruch versus Klimanotstand“ zu diskutieren. Die Erfolge, die Nottuln durchaus vorweisen konnte, sind alt und der Schwere und Dringlichkeit des Problems nicht mehr angemessen. Die Anregungen von Fridays for Future wurden interessiert entgegen genommen ... und zur Seite gelegt. Am konkreten Handeln ändert sich nichts. Der Haushaltstitel für Klimaschutz beträgt nun 10.500 €. Hier nichts hinzuschreiben wäre ehrlicher gewesen.

Die Bewirtschaftungskosten für Gebäude insgesamt liegen bei 589.204 €. Doch die Gemeinde bemüht sich nicht hinreichend um Förderungen, die es für den Klimaschutz und den Gebäudeerhalt zur Genüge gibt. Das wären Investitionen, die sich rechnen, sie würden unseren Haushalt entlasten und dem Klima und damit uns allen nachhaltig nützen.

Zu den Schulen:
Wir stehen zu unserer Liebfrauenschule und zu unserem Gymnasium. Die Erhaltung und Modernisierung beider weiterführenden Schulen wird viel Geld kosten, das wir aber gerne für die Bildung unserer Kinder in die Hand nehmen.

Zusammenfassung:
Die Gemeinde gestaltet nicht, sondern lässt sich durch die Umstände treiben. Das langfristige, kaufmännisch solide Handeln ist aus dem Blick geraten. Wir Politiker müssen regelrecht bei der Verwaltung betteln, damit zumindest eine halbwegs realistische mittelfristige Finanzplanung erstellt wird, damit man weiß, wo unser Gemeinwesen steht.

Jedes Problem, selbst jede kleine Bauunterhaltungsaufgabe, jede Renovierung und Instandhaltung kommt scheinbar überraschend und wird im Krisenmodus bearbeitet. Dieses Wirtschaften führt uns in kurzer Zeit in die Haushaltssicherung.

Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass Entscheidungen in Rat und Verwaltung auf ein solides Fundament gestellt werden und lehnen den Haushalt als Dokument einer nicht nachhaltigen Wirtschaftsweise ab.“

Vielen Dank!




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